Samstag, 6. September 2008
Let`s cross our fingers - unterwegs (5)
Vor etwa 350 Jahren beschreibt einer von Cromwell`s Generälen, Edmund Budlow, den Boireann, den Burren (das bedeutet: "großer Stein"), als einen Platz, an dem es "yielding neither water enough to drown a man, nor a tree to hang him nor soil enough to bury him."- nicht genügend Wasser gäbe, um einen Mann zu ertränken, nicht genügend Holz, um ihn aufzuhängen und nicht genügend Erde, um ihn zu begraben.
Das Gebiet im Westen Irlands, das ich heute zum zweiten Male erleben durfte, ist so bizarr und faszinierend, dass Worte kaum ausreichen, um diese 250 km² Karstlandschaft zu beschreiben. Hügel und Berge, Klippen und Höhlen, Haselnusswälder und Wiesen, alte Burgen und Dolmen wechseln einander ab und mitten zwischen den Steinen der Plateaus oder den unzähligen Mauern wächst der Enzian, weiden die Rinder oder eröffnet sich der Blick auf die Villages, die sich in die Täler ducken. Der Kalkstein bestimmt das Leben der Menschen, Tiere und Pflanzen- er ist es, der von den Bauern tausendfach gebrochen und zur Seite geräumt werden musste, um Weideflächen zu schaffen, der den Tieren Unterschlupf und den Pflanzen durch seine Speicherfähigkeit ausreichend Wasser gibt.
Hier lebt das Vieh im Sommer im Tal. Dort findet sich genügend Weideland bzw. es wird zugefüttert. Im Winter aber wird es hinauf getrieben auf den Burren. Diese Jahreszeit ist hier nämlich sehr mild, die Steine haben zudem Feuchtigkeit und Wärme gespeichert und die Weiden sind fruchtbar, das Wasser ist sauber und angereichert mit Mineral-stoffen, so dass der Landwirt sich ums Vieh nicht zu sorgen braucht. Das macht er in diesem Sommer allerdings um die Ernte. Die Nachrichten greifen das Thema seit Tagen immer öfter auf, denn die Ernte fällt durch die extrem häufigen Regenfälle diesmal unglaublich schlecht aus- an den wenigen trockenen Augusttagen konnten nur an die 50 Prozent der sonst normalen Menge eingefahren werden und die Qualität des Kornes ist nicht die Beste. Die Farmer hoffen auf Hilfe von der Regierung oder der EU- und auf trockene und warme Tage, auf solche wie heute, als ich im Burren war.
Let`s cross our fingers!!!- Lasst uns die Daumen drücken.
Donnerstag, 4. September 2008
I´m sorry, my love
Fotos: bei den Storytellers mit Florent aus Frankreich, in Kinvara mit Eliana aus Spanien,
in der Galway- Bucht mit Nadja aus Österreich, im Pub mit Hanicka aus Tschechien
Die Verkäuferin, bei der ich die neue Socken bezahlte, (die mitgebrachten waren irreparabel durchgelaufen), lächelte mir nicht freundlicher als den anderen Kunden zu, als sie nach dem Kassieren. „Thanks, love!“ meinte. Auch der junge Mann in der Touri-information, in der ich heute um eine Auskunft für meinen morgigen Trip bat, war definitiv nicht in mich verliebt, als er mir nach meinem Dank erwiderte: „You are welcome, love!“ Und meine nur fünf Jahre älteren Gasteltern lieben mich nicht unbedingt, wenn sie mich morgens mit „Morning, love, how are you?“ begrüßen. „Love“ ist in Irland eine ganz gebräuchliche Höflichkeitsformel. Aber Vorsicht, Männer, wenn ihr sie im Gespräch gegenüber Frauen anwendet klingt das ziemlich abgehoben und Frau wendet sich ab.
Höflichkeit ist hier absolut angesagt. Ich konnte mir bis vor fünf Wochen nicht vorstellen, dass ich den Busfahrer selbstverständlich grüßen und mich beim Aussteigen mit „Thanks, bye!“ bedanken werde oder er mir morgens zunickt: „How are you?“ Zuerst war ich überrascht, hatte ich doch in der Schule gelernt, man müsse sein tatsächliches Befinden benennen. Das ist nicht so. Dieses „How are you?“ entspricht einem Morgengruß und es reicht ein:“Fine.“ völlig aus. Gehe ich in Renmore an der Bucht walken oder spazieren und treffe Gleichgesinnte, grüßt man sich- ähnlich wie auf dem Land oder beim Wandern durch die Sächsische Schweiz. Ich genieße es!
Ähnliches gilt auch für das „Sorry!“ Lieber einmal zu viel entschuldigen (auch für das, was passieren könnte) als gar nicht, das wäre dann extrem unhöflich.
Die Iren sind ein ungemein freundliches Volk und das steckt an. Ähnlich wie in Deutschland haben allerdings die Höflichkeitsfloskeln auch etwas Unverbindliches. Möchte ich jemanden genauer kennen lernen, kann ich ihn mit Hilfe dieser Redewendungen aber in ein Gespräch verwickeln. Das geht recht schnell, denn die Iren sind ein offenes und sichtlich auch mitteilsames Völkchen.
Claire, Sean, Aoife, Conor, Leah und Luke zeigen dies gerne, wenn sie nicht nur im Pub miteinander oder mit ihren Gästen ins Gespräch kommen. Dabei redet man sich, vom Flughafen bis zum Plausch auf der Parkbank, mit den Vornamen an, nicht mit Mister oder Missis.
„Oh, nice to meet you. What´s your name?“ „Elke.“ „Oh, nice. I`ve never heard this name. What does it mean?” Nun erkläre mal einem Iren, dass “Elke” die niederdeutsche/ ostfriesische Form von „Adelheid“ ist…. "Ehh, Claire... you know... I´m sorry, but...." und Claire nickt verständnisvoll, obwohl sie immer noch nicht die Bedeutung meines Namens versteht.
Ich lie- langes ie !- be diese Höflichkeit!
PS. Fluchen können die Iren auch, ich habe es zweimal erlebt, habe es genossen und war traurig darüber, nur „fucking“ verstanden zu haben…
Montag, 1. September 2008
"Einverenglischtes"- Unterwegs (4)
Während der vergangenen Woche war viel Händeklatschen angesagt. Zuerst am Montag Abend in der mittelalterlichen Kirche, an dem irische Instrumente nicht nur mit Worten vorgestellt wurden- beginnend bei der Steinzeit bis ins frühe Mittelalter. Spannend, wie Steine oder die Hörner von Ziegen klingen können, bläst man in sie hinein... In ganz Irland gibt es einmal jährlich eine "Heritage- week", in der überall im Land ganz spezielle Vorträge, Konzerte, Filmvorführungen, Exkursionen usw. organisiert werden, um den Menschen das kulturelle Erbe des Landes näher zu bringen. Die Kirche jedenfalls war gefüllt mit Besuchern aus aller Herren Länder. Und das Unglaubliche: Diese hatten freien Eintritt, im Vergleich zu den Galwayern, die einen Eintritt zu bezahlen hatten und denen ausdrücklich für dieses Zeichen ihrer Gastfreundschaft gedankt wurde.
Am Dienstag war "heritage" pur angesagt, als wir zu den mir inzwischen vertrauten Storytellers gingen und ihren alten Geschichten lauschten. Am Mittwoch faszinierte mich ein Harfenkonzert, das auf historischen Instrumenten gespielt und mit leisen irischen Liedern untermalt wurde. Und am Samstag besuchten wir (wie immer im Regen) Dún Guaire, ein altes Towerhaus, nur 30 km von Galway entfernt, im Städtchen Kinvara. Dieser Name bedeutet " Head of the Sea- Direkt am Meer".
Leider haben die Engländer die oft sehr poetischen Ortsnamen einfach nur vom Klang her übernommen und "eingeenglischt" (Die Engländer eroberten die Insel im 12. Jahrhundert und erst seit 1921 ist Irland eigenständig). So entstanden die Bezeichnungen, die hier heutzutage überall zu finden sind. Schade, denn die alten Namen erzählen, wie viele deutsche Ortsnamen, etwas über die Lage, die Menschen in den Orten oder halbe Geschichten. Ohne letztere kommt man hier wirklich nicht aus und ich "Märchentante" genieße jede Begegnung mit ihnen. So ungewöhnliche Namen wie Anascaul ("Fluss der Geister"), Ardnaree ("Hinrichtungshügel"), Bandon ("Göttin"), Lixnaw ("Schwimmende Insel"), Mantua ("Moor"), Muckross ("Schweinehain"), Tonraee ("Hintern in Windrichtung") oder Lough Tay ("See aus Tee") lassen nicht nur meiner Phantasie Flügel wachsen.
Die Straßenschilder zeigen die Ortsnamen in beiden Sprachen an und wenn ich folgende Wortteile oder ähnliche sehe, macht das Enträtseln der Ortsbedeutungen Spaß: z.B.
englischer Wortteil: Down, gälischer Ursprung: dún, deutsche Bedeutung: Festung oder: englisch: bally, gälisch: baile, deutsch: Ansiedlung oder: kyle, ´coill, Wald. Die Dichter Irlands spiegeln die phantasievollen Namen in ihren Gedichten und Romanen und ich lasse sie mir für mein Leben gerne auf der Zunge zergehen: Connemara, Donegal, Athenry oder eben Kinvara.
Sollte ich aber einen dieser Geschichte atmenden Orte auch mal bei Sonne entdecken können, würde ich wenigstens einmal in die Hände klatschen, wie nach dem letzten Test, denn weit über 80 Prozent meiner Antworten waren diesmal richtig...